Primäre Myelofibrose (PMF) – Praxis-Update
Antje Blum M.A.Die primäre Myelofibrose (PMF) gehört zu den seltenen, klonalen, BCR-ABL1-negativen myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Sie ist durch eine pathologische Proliferation hämatopoetischer Stammzellen und eine reaktive Knochenmarkfibrose gekennzeichnet. Ursächlich spielt meist eine Dysregulation des JAK/STAT-Signalwegs eine zentrale Rolle.
Die Erkrankung entsteht auf dem Boden von Treibermutationen, hauptsächlich in JAK2 (ca. 60%), CALR (ca. 20-25%) und MPL (ca. 5-8%). In etwa 10% liegt eine „triple-negative“ PMF ohne diese Mutationen vor, was prognostisch ungünstig ist. Die Diagnose stützt sich hier dann v.a. auf die Morphologie (Knochenmarkhistologie), den klinischen Phänotyp (Anämie, Splenomegalie, Symptome) und das Ausschlussprinzip (andere MPN-Entitäten, reaktive Myelofibrosen, MDS etc.). Oft werden zusätzliche „non-driver“-Mutationen (ASXL1, EZH2, SRSF2, U2AF1 etc.) im erweiterten molekulargenetischen Profil gefunden, die helfen können, die Klonalität zu sichern und die als Hochrisikomutationen die Prognose ebenfalls negativ beeinflussen. Vermutet wird, dass bei triple-negativen Patient:innen andere, noch nicht vollständig verstandene molekulare Mechanismen der Erkrankung zugrunde liegen.
Klinik und Verlauf
Der Krankheitsverlauf ist variabel. Frühe Stadien (präPMF) ähneln klinisch eher einer essentiellen Thrombozythämie (ET) mit Thrombozytose. Im fortgeschrittenen Stadium (overt fibrotic PMF) dominieren Anämie, Splenomegalie, konstitutionelle Symptome (Fatigue, Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber) sowie thromboembolische Ereignisse. Langfristig drohen eine Transformation in eine akute myeloische Leukämie (AML), kardiovaskuläre Komplikationen und Infektionen.
Diagnostik
Die Diagnose erfolgt auf Basis der WHO-Kriterien (aktuell WHO 2022, in manchen Leitlinien noch WHO 2016), unter Einbeziehung molekulargenetischer, klinischer und histopathologischer Parameter. Im klinischen Alltag dominiert derzeit (noch) WHO 2016 plus molekulargenetische Zusatzinformationen, in der die Diagnose auf Basis folgender Parameter erfolgt:
Knochenmarkhistologie (Grad der Fibrose entscheidend)
Molekulargenetik (Nachweis der Treibermutationen)
Klinische Parameter (Splenomegalie, Anämie, Blasten, LDH-Erhöhung)
Differenzialdiagnostisch müssen v.a. ET, PV, MDS/MPN-Überlappungen und sekundäre Myelofibrosen abgegrenzt werden.
Prognose
Prognostische Scores kombinieren klinische, zytogenetische und molekulargenetische Marker:
DIPSS-plus, MIPSS70(v2) für die PMF
MYSEC-PM für die sekundäre MF
Diese Scores steuern maßgeblich die Therapieentscheidungen, insbesondere für die allogene Stammzelltransplantation (alloSZT).
Therapieoptionen
Die Therapie richtet sich strikt nach Risikoprofil und Symptomatik:
„Watch & wait“: bei niedrigem Risiko, asymptomatisch
AlloSZT: einzige kurative Option, aber nur bei Hochrisiko-Patient:innen < 70 Jahre
JAK-Inhibitoren
Medikationen bei Anämie, Thrombozytose, Leukozytose, Splenomegalie
Verlaufskontrolle
Regelmäßige Kontrollen von Blutbild, Milzgröße, Knochenmark und Mutationsprofil (im Einzelfall). Dermatologische Kontrolle, Impfungen gegen z.B. COVID-19 empfohlen.