Journal Hämatologie
Essentielle Thrombozythämie
Inhaltsverzeichnis

Ätiologie und Pathogenese

Die ET entsteht meist durch somatische Mutationen, die die myeloische Stammzellpopulation betreffen:    

  • JAK2 V617F (ca. 55-60%)    

  • CALR-Mutationen (ca. 20-30%)

  • MPL-Mutationen (ca. 5-10%)    

Triple-negative Fälle sind selten, aber relevant für die Differenzialdiagnose. EIne retrospektive multizentrische Real-world-Studie fand bei manchen Patient:innen dann doch eine nicht-kanonische JAK2/CALR/MPL-Mutation, bei anderen lagen Mutationen in Passagiergenen wie AXL1, DNMT3A oder TET2 vor [2]. Die Studie bestätigt die Knochenmarkhistologie als Methode mit der höchsten Aussagekraft für die Diagnosestellung.

 

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Diese Mutationen führen zu einer gestörten Signaltransduktion mit konsekutiver Proliferation v. a. der Megakaryozytenreihe.

Diagnostik

Die Diagnosestellung erfolgt gemäß WHO 2022 anhand folgender Parameter:    

  • Thrombozytenzahl ≥ 450.000/µl    

  • Nachweis klonaler Marker (JAK2, CALR, MPL)

  • Ausschluss reaktiver Thrombozytosen (z. B. Eisenmangel, Infektionen)

  • Knochenmarkhistologie: Hyperplasie der Megakaryozyten mit typischer Morphologie    

  • Kein Hinweis auf BCR-ABL1-positive CML, PV, MF, MDS o. ä.

Prognose

Die ET zeigt eine gute Prognose mit hoher Lebenserwartung. Die Hauptrisiken sind Thrombosen (arteriell > venös), Hämorrhagien, die (seltene) Progression zur Myelofibrose oder akuten Leukämie.

Risikostratifikation

Die aktuelle Risikoklassifikation richtet sich nach dem Thrombose- und Blutungsrisiko:

Risikogruppe und Kriterien

  • Niedrigrisiko: Alter < 60, keine Thromboseanamnese, JAK2-negativ

  • Intermediärrisiko: Alter < 60, aber JAK2-positiv

  • Hochrisiko: Alter ≥ 60 oder Thromboseanamnese

Weitere Modifikatoren für das Risikoprofil sind kardiovaskuläre Risikofaktoren und der Mutationsstatus.

Therapie

Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren, Low-dose ASS (außer bei Kontraindikationen), Zytoreduktive Therapie (bei Hochrisiko)mit Hydroxyurea, Interferon-alpha (insb. bei jüngeren Patient:innen und Schwangerschaft), alternativ Anagrelid (Reserve, v.a. bei Unverträglichkeit anderer Substanzen). In der Schwangerschaft ist Interferon-alpha das einzige sichere Medikament.

Monitoring:

Regelmäßige Blutbildkontrollen, Beurteilung auf Symptomatik, thromboembolische Ereignisse und Progression.

Verlauf und Komplikationen

Thrombosen

Arterielle Ereignisse (TIA, Schlaganfall, Myokardinfarkt) überwiegen.    

Blutungen

Besonders bei extrem hoher Thrombozytenzahl (> 1,5 Mio./µl) durch von-Willebrand-Faktor (vWF)-Verbrauch.    

Transformation

Risiko auf Myelofibrose ca. 5-10%; akute Leukämie < 5%.

Eine chronische klonale Erkrankung des Knochenmarks mit Überproduktion von Thrombozyten.

Literatur:

(1)

Onkopedia-Leitlinie „Essentielle (oder primäre) Thrombozythämie (ET)“

(2)

Godfrey AL et al. Clinical utility of investigations in triple-negative thrombocytosis: A real-world, multicentre evaluation of UK practice. Br J Haematol 2024,00:1-6. https: //10.1111/bjh.19643

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