Journal Hämatologie
Polycythaemia vera
Inhaltsverzeichnis

Die Polycythaemia vera (PV) ist eine seltene, chronisch verlaufende maligne myeloproliferative Neoplasie (MPN). Charakteristisch ist eine unkontrollierte Überproduktion der Erythrozyten im Knochenmark. Häufig finden sich auch vermehrte Thrombozyten und Leukozyten.

PV gehört zu den Philadelphia-Chromosom-negativen MPN, zu denen auch die essentielle Thrombozythämie oder die primäre Myelofibrose gehören. Die Ursache der Erkrankung liegt fast immer in einer Mutation des JAK2-Gens: In ca. 95% der Fälle handelt es sich um die JAK2-V617F-Mutation im Exon 14, in ca. 3% um Mutationen im Exon 12. In sehr seltenen Ausnahmefällen bleibt die JAK2-Mutation trotz typischer Klinik nach heutigem Standardlabor unauffindbar.

Welche Symptome werden durch PV verursacht?

Frühzeichen sind oft unspezifisch: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen, Rötung der Haut (Plethora) und Hypertonie. Ein sehr typisches Symptom ist aquagener Juckreiz (Juckreiz nach Wasserkontakt), der bei ca. 70% der Patient:innen auftritt. Durch die erhöhte Zellmasse im Blut kommt es zu einer erhöhten Blutviskosität, die für Mikrozirkulationsstörungen (z.B. Erythromelalgie, Sehstörungen) und ein erhöhtes Thromboserisiko verantwortlich ist. Bei etwa 30-40% der Patient:innen wird eine Splenomegalie festgestellt. Im weiteren Verlauf kann es zu einem fibrotischen Umbau des Knochenmarks (Post-PV-Myelofibrose) oder in seltenen Fällen zu einer akuten myeloischen Leukämie (AML) kommen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema:

Myeloproliferative Neoplasien: Grundlagen

Jetzt lesen

Wie wird die PV diagnostiziert?

Die Diagnosestellung erfolgt anhand der aktuellen WHO-Kriterien (2022). Typisch sind:

  • Erhöhter Hämatokrit (> 49% Männer, > 48% Frauen)

  • Nachweis der JAK2-Mutation

  • Knochenmarkshistologie mit hyperzellulärer Markstruktur und Panmyelose

  • Erniedrigtes Serum-Erythropoetin

  • Ausschluss anderer Ursachen für Erythrozytose

Entzündungsparameter wie BSG und CRP können erhöht sein, sind aber keine Diagnosekriterien.

Wie ist die Prognose?

Unbehandelt ist die Prognose ungünstig mit hohem Thromboserisiko. Unter adäquater Therapie liegt die mediane Überlebenszeit bei etwa 15-20 Jahren. Wichtig für die Risikoeinschätzung sind das Alter (>  60 Jahre) und vorausgegangene Thrombosen.

Wie wird die PV behandelt?

Die Therapie zielt darauf ab, Thrombosen zu verhindern, Symptome zu kontrollieren und Progression zu vermeiden. Kernelemente sind:

  • Aderlass (Phlebotomie): Ziel-Hämatokrit < 45%

  • Thrombozytenaggregationshemmung: meist mit Acetylsalicylsäure

  • Zytoreduktion: Hydroxycarbamid (Hydroxyurea) als Standard. Bei jüngeren Patient:innen Interferon-alfa.

  • Zielgerichtete Therapie: Bei Unverträglichkeit oder Therapieversagen Einsatz von JAK2-Inhibitoren.

  • Lebensstil: Rauchstopp, Gewichtsreduktion, Bewegung, Kompressionsstrümpfe bei venöser Insuffizienz, Vermeidung längerer Immobilisation.

Eine chronische myeloproliferative Neoplasie mit Überproduktion von Blutzellen, insbesondere Erythrozyten.

Meist Mutationen im JAK2-Gen (V617F oder Exon 12).

Müdigkeit, Juckreiz (bes. nach Wasserkontakt), Kopfschmerzen, Sehstörungen, Thrombosen, Splenomegalie.

Anhand der WHO-Kriterien 2022: erhöhter Hämatokrit, JAK2-Mutation, Knochenmarkbefund, niedriges Erythropoetin.

Dank der heutigen Behandlungsmöglichkeiten lässt sich die Erkrankung in den meisten Fällen gut kontrollieren und Patient:innen können häufig über viele Jahre hinweg ein weitgehend normales Leben führen

Literatur:

(1)

Onkopedia-Leitlinie „Polycythaemia Vera (PV)"

Stichwörter