Übergewicht bei Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie: Dauer entscheidet über Prognose
David Meier M.Sc.In einer prospektiven Kohortenstudie mit 794 Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) konnte gezeigt werden, dass nicht nur das Vorhandensein von Übergewicht oder Adipositas, sondern vor allem deren Dauer während der Behandlung maßgeblich die Überlebenschancen und das Rückfallrisiko der jungen Patient:innen beeinflusst.
Widersprüchliche Datenlage zu Übergewicht bei Kindern mit ALL
Bisher waren die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Rolle von Übergewicht und Adipositas bei Kindern mit ALL uneinheitlich. Während einige Studien einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Körpergewicht und schlechteren Behandlungsergebnissen nahelegten, konnten andere Untersuchungen diese Verbindung nicht bestätigen.
Langzeitbeobachtung von 794 Kindern über sechs Jahre
Die Forschenden analysierten Daten von 794 Kindern, die zwischen Mai 2005 und Dezember 2011 an ALL erkrankten. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung betrug 6,7 Jahre (Spanne: 1,0-17,9 Jahre). Die Wissenschaftler:innen verfolgten die BMI-Entwicklung der Kinder vom Zeitpunkt der Diagnose bis zum Ende der Behandlung und darüber hinaus.
Dramatischer Anstieg von Übergewicht während der ALL-Behandlung
Die Häufigkeit von Übergewicht oder Adipositas stieg von 29,5% (234 von 793 Kindern) zum Diagnosezeitpunkt auf 48,4% (346 von 715 Kindern) am Ende der Behandlung an. Dies entspricht einer Zunahme um fast 20 Prozentpunkte während der Therapie.
Entscheidender Faktor: Dauer des Übergewichts bestimmt Prognose
Die Studie unterschied zwischen Kindern, die zu höchstens einem Zeitpunkt übergewichtig oder adipös waren, und solchen, die zu zwei oder mehr Zeitpunkten während der Behandlung erhöhte BMI-Werte aufwiesen. Diese Differenzierung erwies sich als prognostisch entscheidend. Kinder mit Übergewicht oder Adipositas zu zwei oder mehr Zeitpunkten zeigten ein geringeres Gesamtüberleben (93,8% vs. 98,0%; p = 0,01), eine höhere Rückfallrate (10,5% vs. 5,8%; p = 0,02) sowie ein schlechteres ereignisfreies Überleben (89,0% vs. 93,7%; p = 0,02) über 3 Jahre.
Weitere Analysen verdeutlichten diese Ergebnisse: Kinder mit länger anhaltendem Übergewicht hatten ein 3,5-fach erhöhtes Sterberisiko (HR: 3,49; 95% KI: 1,28-9,51; p = 0,01) und ein nahezu doppelt so hohes Rückfallrisiko (HR: 1,92; 95% KI: 1,07-3,46; p = 0,03).
Keine Auswirkungen auf akute Behandlungstoxizität
Interessanterweise fanden die Forschenden keinen Zusammenhang zwischen Übergewicht zu Behandlungsbeginn oder während der Induktionsphase und behandlungsbezogenen toxischen Effekten oder höherer minimaler Resterkrankung. Dies deutet darauf hin, dass die negativen Auswirkungen von Übergewicht eher langfristig wirken.
Klinische Konsequenzen: Gewichtsmanagement als integraler Behandlungsbestandteil
Laut den Autor:innen unterstreichen die Ergebnisse die Notwendigkeit, Gewichtsmanagement als festen Bestandteil der ALL-Behandlung bei Kindern zu etablieren. Interventionen zur nachhaltigen Gewichtsreduktion sollten bereits früh in der Therapie implementiert werden, um die langfristigen Überlebenschancen der jungen Patient:innen zu verbessern.
Quelle:Ladas EJ. et al. (2025) Overweight or Obesity and Outcomes in Children With Acute Lymphoblastic Leukemia. JAMA Netw Open. 2025 May 1;8(5):e259952, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2025.9952.